TRGS 900 Änderungen 2025: Neue Arbeitsplatzgrenzwerte für Labore

TRGS 900 Änderungen 2025: Neue Arbeitsplatzgrenzwerte für Labore

TRGS 900 Arbeitsplatzgrenzwerte Labor - Gefahrstoffmanagement

Die Arbeitsplatzgrenzwerte 2025 wurden grundlegend überarbeitet: Im Frühjahr 2025 hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) die TRGS 900 „Arbeitsplatzgrenzwerte“ aktualisiert und damit weitreichende Änderungen für den Arbeitsschutz in deutschen Laboren und Produktionsstätten in Kraft gesetzt. Besonders bedeutsam: Der Grenzwert für Schwefeldioxid wurde halbiert, und ab 2027 werden die Werte für 15 weitere Stoffe an EU-Vorgaben angepasst. Für Betreiber von Gaswarnanlagen bedeutet dies: Handlungsbedarf.

Was ist neu in der TRGS 900?

Die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 900 ist das zentrale Regelwerk für Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) in Deutschland. Sie legt fest, bei welcher Konzentration eines Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz akute oder chronische Gesundheitsschäden im Allgemeinen nicht zu erwarten sind. Die aktuelle Fassung vom 6. Mai 2025 (GMBl 2025 S. 403) bringt zwei wesentliche Neuerungen:

1. Sofortige Absenkung: Schwefeldioxid (SO₂)

Der Arbeitsplatzgrenzwert für Schwefeldioxid wurde drastisch reduziert – von bisher 1 ppm auf nun 0,5 ppm für eine 8-Stunden-Schicht. Diese Halbierung des Grenzwerts entspricht der EU-Richtlinie 2017/164 und muss spätestens bis zum 1. Juli 2026 umgesetzt werden.

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Wichtig für Betreiber von Gaswarngeräten

Stationäre und portable Gaswarngeräte, die zur Überwachung des AGW eingesetzt werden, müssen die Alarmschwelle für den Langzeitwert (LZW) auf 0,5 ppm geändert werden. Dies betrifft besonders Bereiche, in denen mit schwefelhaltigen Verbindungen gearbeitet wird oder SO₂ als Prozessgas eingesetzt wird.

Schwefeldioxid ist in vielen Laboren präsent – sei es in der chemischen Analytik, bei Konservierungsprozessen oder als Nebenprodukt chemischer Reaktionen. Das farblose, stechend riechende Gas wirkt ätzend auf Schleimhäute und kann bereits in geringen Konzentrationen zu Atemwegsreizungen, Husten und bei längerer Exposition zu chronischen Atemwegserkrankungen führen.

2. Mittelfristige Anpassung: 15 Stoffe ab Juni 2027

Ab dem 1. Juni 2027 treten weitere Absenkungen in Kraft: Für 15 Stoffe werden die deutschen Arbeitsplatzgrenzwerte an die niedrigeren EU-Richtgrenzwerte (Indicative Occupational Exposure Limit Values – IOELV) aus der Richtlinie 98/24/EG angeglichen.

Diese schrittweise Harmonisierung ist Teil einer europaweiten Strategie zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz. Deutschland setzt damit eine EU-Vorgabe um, die bereits seit Jahren in der Diskussion steht.

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Welche Stoffe sind betroffen? Relevanz für Labore

Während die vollständige Liste der 15 betroffenen Stoffe im offiziellen TRGS 900 Dokument der BAuA zu finden ist, lassen sich bereits einige Substanzen identifizieren, die für Laboratorien besonders relevant sind:

Gase und Dämpfe mit Laborrelevanz

  • Acetaldehyd: Verwendet in der organischen Synthese, als Lösungsmittel und Ausgangsprodukt für verschiedene chemische Reaktionen
  • Acrylaldehyd (Acrolein): Hochreaktives α,β-ungesättigtes Aldehyd, relevant in der Polymerchemie
  • Tetrahydrofuran (THF): Häufig genutztes aprotisches Lösungsmittel in organischen Laboratorien
  • ε-Caprolactam: Ausgangsstoff für Polyamid-6 (Nylon), in Polymer-Laboren präsent
  • Weitere gasförmige oder leicht flüchtige Substanzen: Die genaue Identifikation erfordert die Konsultation des aktuellen TRGS 900 Dokumentsstands

Wichtig zu wissen: Die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) und die DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) bieten aktuelle Grenzwertelisten und Fachinformationen, die regelmäßig aktualisiert werden.

Warum werden die Grenzwerte gesenkt?

Die Absenkung der Arbeitsplatzgrenzwerte basiert auf aktuellen toxikologischen und arbeitsmedizinischen Erkenntnissen. Drei Hauptgründe sind ausschlaggebend:

1. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse

Langzeitstudien haben gezeigt, dass selbst niedrigere Konzentrationen bestimmter Stoffe langfristige Gesundheitsschäden verursachen können. Was vor Jahren als „sicher“ galt, erweist sich bei genauerer Betrachtung als problematisch.

2. EU-Harmonisierung

Die Angleichung an europäische Standards schafft einheitliche Schutzniveaus und verhindert „Schutzniveau-Shopping“ – also die Verlagerung gefährlicher Tätigkeiten in Länder mit niedrigeren Standards.

3. Präventiver Gesundheitsschutz

Strengere Grenzwerte bedeuten besseren Schutz für Beschäftigte – besonders für vulnerable Gruppen wie Schwangere, jüngere Arbeitnehmer oder Personen mit Vorerkrankungen.

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Was bedeutet das für Gaswarnanlagen?

Die Änderungen der TRGS 900 haben direkte Auswirkungen auf den Betrieb von Gaswarnanlagen in Laboratorien und Produktionsbetrieben. Betreiber müssen jetzt aktiv werden:

Konkrete Handlungsschritte

  1. Alarmschwellen überprüfen: Alle Gaswarngeräte, die Schwefeldioxid überwachen, müssen auf den neuen Grenzwert von 0,5 ppm kalibriert werden. Dies gilt für stationäre Systeme ebenso wie für portable Messgeräte.
  2. Gefährdungsbeurteilung aktualisieren: § 6 der Gefahrstoffverordnung verpflichtet zur Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung bei Änderung der Grenzwerte. Prüfen Sie, ob die neuen Werte Auswirkungen auf Ihre Schutzmaßnahmen haben.
  3. Dokumentation anpassen: Betriebsanweisungen, Arbeitsplatzmessungen und Wartungsprotokolle müssen die neuen Grenzwerte berücksichtigen.
  4. Schulung der Mitarbeiter: Informieren Sie Ihre Beschäftigten über die geänderten Grenzwerte und die Bedeutung für die tägliche Arbeit.
  5. Technische Überprüfung: Stellen Sie sicher, dass Ihre Gaswarnanlage die geforderte Empfindlichkeit erreicht. Bei sehr niedrigen Grenzwerten können hochwertigere Sensoren erforderlich sein.

Praxistipp: Fristen nutzen

Die Übergangsfrist bis zum 1. Juli 2026 (für SO₂) bzw. 1. Juni 2027 (für die 15 weiteren Stoffe) sollte genutzt werden, um Anpassungen systematisch vorzubereiten. Warten Sie nicht bis zur letzten Minute – Lieferengpässe bei Sensoren oder Kalibrierungen können Sie sonst in Zeitnot bringen. Unsere Empfehlung: Wartungsverträge frühzeitig abschließen und die Anpassung in den regulären Wartungszyklus integrieren.

Gaswarnanlagen: Mehr als nur Grenzwertüberwachung

Die geänderten Arbeitsplatzgrenzwerte unterstreichen die Bedeutung professioneller Gaswarnanlagen. Moderne Systeme bieten weit mehr als nur die Überwachung von Grenzwerten:

Moderne Gaswarnzentrale Industrie - Arbeitsschutz Technologie

Intelligente Sicherheitsarchitektur

  • Mehrstu fige Alarmierung: Voralarm bei Erreichen eines Prozentsatzes des AGW (z.B. 50%), Hauptalarm bei Überschreitung
  • Trendanalyse: Erkennung schleichender Anstiege, bevor kritische Konzentrationen erreicht werden
  • Datenlogging: Langzeit-Aufzeichnung aller Messwerte als Nachweis für Behörden und Versicherungen
  • Fernüberwachung: Zugriff auf aktuelle Messwerte und Alarme via Gebäudeleittechnik oder App
  • Automatische Gegenmaßnahmen: Aktivierung von Lüftungen, Schließen von Magnetventilen, Sperrung von Zugängen

Die richtige Einschätzung der Gefahren

Viele Unfälle in Laboren entstehen nicht durch spektakuläre Versagen, sondern durch Unterschätzung schleichender Gefahren. Ein Beispiel:

„In einem Analytiklabor kam es über Wochen zu unerklärlichen Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten bei mehreren Mitarbeitern. Erst eine systematische Luftmessung deckte auf: Eine undichte Reinstgasleitung setzte kontinuierlich geringe Mengen eines organischen Lösungsmittels frei – unterhalb des damaligen AGW, aber über längere Zeit dennoch gesundheitsgefährdend. Die neue TRGS 900 hätte diesen Fall früher erkannt.“

Dieser Fall zeigt: Arbeitsplatzgrenzwerte sind keine abstrakten Zahlen, sondern das Ergebnis realer Schadenserfahrungen. Ihre Absenkung bedeutet nicht Schikane, sondern Schutz.

Verantwortung und Haftung

Laborverantwortliche und Betriebsleiter tragen die persönliche Verantwortung für die Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte. Bei Verstößen drohen:

Rechtliche Konsequenzen

  • Ordnungsrechtlich: Bußgelder bis zu 50.000 Euro bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Gefährdung (§ 27 ChemG)
  • Arbeitsrechtlich: Stilllegungsverfügungen durch Aufsichtsbehörden, Verlust von Betriebsgenehmigungen
  • Zivilrechtlich: Schadensersatzansprüche erkrankter Mitarbeiter
  • Strafrechtlich: Bei schwerwiegenden Gesundheitsschäden oder gar Todesfällen: Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) oder fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB)

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Praktische Umsetzung: Checkliste für Verantwortliche

Um die neuen Anforderungen systematisch umzusetzen, empfehlen wir folgendes Vorgehen:

Phase 1: Bestandsaufnahme (bis Ende 2025)

  • ☐ Aktuelles TRGS 900 Dokument von der BAuA beziehen
  • ☐ Prüfen, welche der 15 abzusenkenden Stoffe im Betrieb verwendet werden
  • ☐ Bestandsaufnahme aller Gaswarngeräte und deren aktuellen Kalibrierung
  • ☐ Gefährdungsbeurteilung auf Aktualisierungsbedarf prüfen

Phase 2: Planung (1. Quartal 2026)

  • ☐ Angebote für Sensoren-Updates oder Neugeräte einholen
  • ☐ Schulungskonzept für Mitarbeiter entwickeln
  • ☐ Zeitplan für Umstellung erstellen
  • ☐ Budget für technische Anpassungen klären

Phase 3: Umsetzung (2. Quartal 2026)

  • ☐ Kalibrierung/Neukonfiguration der Gaswarngeräte (Frist SO₂: 1. Juli 2026!)
  • ☐ Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung
  • ☐ Anpassung von Betriebsanweisungen und Dokumentationen
  • ☐ Durchführung der Mitarbeiterschulungen

Phase 4: Vorbereitung 2027 (ab Herbst 2026)

  • ☐ Anpassungen für die 15 weiteren Stoffe vorbereiten (Frist: 1. Juni 2027)
  • ☐ Erfahrungen aus SO₂-Umstellung nutzen
  • ☐ Abschließende Überprüfung aller Systeme

Die Rolle von Wartung und Kalibrierung

Gaswarngeräte sind Präzisionsinstrumente. Bei niedrigeren Grenzwerten wird ihre korrekte Funktion noch wichtiger. Die VDMA 24176 und die DGUV Information 213-056 geben klare Vorgaben:

  • Regelmäßige Kalibrierung: Mindestens einmal jährlich, bei kritischen Anwendungen häufiger
  • Funktionsprüfung: Vor jeder Verwendung (portable Geräte) bzw. gemäß Herstellervorgaben (stationäre Systeme)
  • Wartung durch Fachpersonal: Nur qualifizierte Techniker dürfen Gaswarngeräte kalibrieren und warten
  • Dokumentation: Lückenlose Protokollierung aller Wartungs- und Kalibriermaßnahmen

Besonders bei den neu abgesenkten Grenzwerten ist es entscheidend, dass die Messgeräte im unteren Konzentrationsbereich noch zuverlässig funktionieren. Ältere Sensoren erreichen hier möglicherweise nicht mehr die erforderliche Präzision.

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Fazit: Grenzwerte als Chance für besseren Arbeitsschutz

Die Änderungen der TRGS 900 im Jahr 2025 sind mehr als nur administrative Anpassungen. Sie spiegeln den aktuellen Stand der Wissenschaft wider und setzen neue Maßstäbe für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.

Für Labore und Produktionsbetriebe bedeuten die abgesenkten Arbeitsplatzgrenzwerte zunächst Aufwand: Geräte müssen neu kalibriert, Mitarbeiter geschult, Dokumentationen angepasst werden. Doch dieser Aufwand ist gut investiert – in die Gesundheit der Beschäftigten, in die Rechtssicherheit des Betriebs und nicht zuletzt in eine moderne Sicherheitskultur.

Die Fristen bis Mitte 2026 (Schwefeldioxid) bzw. Mitte 2027 (15 weitere Stoffe) geben ausreichend Zeit für eine sorgfältige Vorbereitung. Wer jetzt systematisch vorgeht, vermeidet Hektik und Stress in letzter Minute.

Wichtige Quellen und weiterführende Informationen

Sie benötigen Unterstützung bei der Anpassung Ihrer Gaswarnanlage an die neuen Grenzwerte oder möchten Ihre bestehenden Systeme überprüfen lassen? Kontaktieren Sie uns – wir beraten Sie gerne zu allen Fragen rund um Gaswarnanlagen, Kalibrierung und Arbeitsplatzgrenzwerte.


Bildnachweis: Alle in diesem Artikel verwendeten Bilder stammen von Unsplash.com und stehen unter der Unsplash Lizenz zur freien Verfügung. Fotografen (in Reihenfolge des Erscheinens): National Cancer Institute, Louis Reed, Chuttersnap, ThisisEngineering RAEng, ThisisEngineering RAEng, Scott Graham, LinkedIn Sales Solutions.

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